Ritterorden vom Heiligen Grab zu Jerusalem
Der Orden der Ritter vom Heiligen Grab zu Jerusalem (lat.: Ordo Equestris Sancti Sepulcri Hierosolymitani, Ordenskürzel: OESSH) ist aufgrund seiner besonderen Geschichte zugleich eine juristische Person des kanonischen Rechts (seit 1949) sowie juristische Person des Vatikanstaates, somit also eine päpstlich anerkannte Gemeinschaft katholischer Laien und Priester.
Der Ritterorden vom Heiligen Grab zu Jerusalem genießt die gleiche unmittelbare Anerkennung wie die übrigen päpstlichen Ritterorden (Christusorden, Orden vom Goldenen Sporn, Piusorden, Gregoriusorden und Silvesterorden), unterscheidet sich von diesen jedoch dadurch, dass er mit dem Malteserorden einer von zwei Orden ist, die in einem besonderen Souveränitätsverhältnis zum Heiligen Stuhl stehen. Beide Orden haben ihren Ursprung nicht einer päpstlichen Stiftung zu verdanken.
Geschichte
Seine beiden Wurzeln hat der Orden einerseits im Chorherrenorden vom Heiligen Grab, der aus dem Domkapitel des Patriarchates von Jerusalem hervorging, andererseits in dem aus dem 14. Jahrhundert stammenden Brauch, sich bei einer Pilgerfahrt ins Heilige Land vom Franziskaner-Guardian zum Ritter schlagen zu lassen. Viele prominente Adelige nahmen die strapaziöse und gefährliche Reise auf sich, um am Grab des Herrn zu seinem Ritter geschlagen zu werden: Herzog Ernst der Eiserne, Oswald von Wolkenstein, Kaiser Friedrich III., Landgraf Wilhelm I. von Hessen und andere. Mehrere Bestätigungen von päpstlicher Seite wurden diesem Brauch und den Rittern vom Hl. Grab zu Teil. 1847 wurde das Lateinische Patriarchat Jerusalem wiedererrichtet; Papst Pius IX. reorganisierte daraufhin mit dem Apostolischen Schreiben Cum multa vom 24. Januar 1868 das alte Rittertum vom Heiligen Grabe und gestaltete es zu einem förmlichen päpstlichen geistlichen Ritterorden. Der Orden war zunächst direkt dem Patriarchen von Jerusalem unterstellt. Die Päpste haben sodann persönlich den Orden geführt, bis Pius XII. mit dem Statut von 1949 einen Kurienkardinal als Großmeister des Ordens etablierte.
Das Apostolische Schreiben vom 6. Januar 1928 legte fest, dass – ungeachtet der Traditionen und historischen Wurzeln bei der Frage der Privilegien für die Ritter und des Ordens insgesamt – sich der Orden auf keinerlei Urkunden vor dem 24. Januar 1868 berufen könne. Damit wurden insbesondere die Privilegien, die der Kustode des Franziskanerordens Bonifaz von Ragusa 1553 erließ, außer Kraft gesetzt.
Am 27. Juli 1931 erhielt der Orden Ritterorden vom Heiligen Grab den Zusatz zu Jerusalem. Ebenfalls wurde festgelegt, dass die Ernennung neuer Ritter dem Päpstlichen Brevensekretariat zur Genehmigung vorgelegt werden muss; damit erhält die Auszeichnung der neu ernannten Ritter zugleich die offizielle Anerkennung aller Regierungen, die mit dem Heiligen Stuhl in diplomatischer Beziehung stehen.
Uniform, Insignien, Ordenszeichen und Leitmotiv
Das Tragen der Uniform des Ordens ist in Deutschland zur Zeit nicht verbindlich. Hingegen wird die Verwendung des Mantels und des Baretts bekräftigt. Der Mantel besteht aus elfenbeinweißem Tuch und ist in Form eines Vollrads geschnitten; unter der linken Schulter ist ein 25 cm großes Jerusalemkreuz in Rot angebracht. Das Barett ist aus schwarzem Samt; an ihm sind die Rangabzeichen angebracht. Geistliche tragen eine Mozetta.
Kennzeichen ist das rote fünffache Jerusalemkreuz; dieses wurde von Gottfried von Bouillon (französisch Godefroy de Bouillon (* um 1060; † 18. Juli 1100 in Jerusalem), der ein Anführer beim Ersten Kreuzzug war, und der nach der Eroberung Jerusalems der erste Regent des neu gegründeten Königreichs Jerusalem wurde, erstmals als Wappen geführt. Adelige Ritter und Bischöfe des Ordens vom Heiligen Grab können das Ordenskreuz zu ihrem Adelswappen bzw. Bischofswappen hinzunehmen.
Das Leitmotiv des Ritterordens lautet Deus lo vult (de: Gott will es).
Aufbau und Mitgliederstruktur
Der Orden wird in drei Klassen verliehen:
- Klasse der Kollarritter und Kollardamen
- Klasse der Ritter (Großkreuz-Ritter, Großoffiziere oder Komture mit Stern, Komture, Ritter)
- Klasse der Damen (Großkreuz-Damen, Komtur-Damen mit dem Stern, Komtur-Damen, Damen)
An der Spitze des Ritterordens, der seinen Sitz in Rom hat, steht ein Großmeister. Das Amt des Großmeisters hat zunächst der Lateinische Patriarch von Jerusalem (ab 1847/48, anfangs selbstständig, ab 1868 unter päpstlicher Oberhoheit), dann der Papst persönlich wahrgenommen (ab 1907, zuletzt Pius XI., der das damit auch erloschene Amt am 6. Januar 1928 niederlegte). Bevor Pius XII. das wieder ins Leben gerufene Amt eines Großmeisters 1949 einem Kurienkardinal als „Kardinal-Großmeister“ übertrug, fungierte der Lateinische Patriarch von Jerusalem als „Rektor und ständiger Administrator“. Am 27. Juni 2007 hat Papst Benedikt XVI. S.Ex. John Patrick Foley, Titularerzbischof von Neapolis in Proconsulari zum Pro-Großmeister bestellt und ihn am 24. November 2007 als Kardinaldiakon mit der Titeldiakonie San Sebastiano al Palatino in das Kardinalskollegium aufgenommen. Am 22. Dezember 2007 ernannte ihn Papst Benedikt XVI. zum Kardinal-Großmeister des Ordens.
Die Zahl der Grabesritter beträgt weltweit etwa 22.000 (Stand 2009). Der Orden ist in 50 Statthaltereien in Argentinien, Australien, Belgien, Brasilien, Kanada, Kolumbien, Deutschland, England, Wales, Spanien, Frankreich, Gibraltar, Irland, Italien, Luxemburg, Ungarn, Malta, Mexiko, Niederlande, Norwegen, Österreich, Philippinen, Polen, Portugal, Monaco, Puerto Rico, Schweiz, Schottland, Slowenien, Finnland, Schweden, Taiwan und USA vertreten.
Die Deutsche Statthalterei umfasst etwas über 1300 Mitglieder, davon etwa 1000 weltliche Ritter, 200 Damen sowie 130 Geistliche (Stand 2008). Die Deutsche Statthalterei ist in sechs Ordensprovinzen aufgeteilt (Ostdeutsche, Rhein-Main, Norddeutsche, Rheinisch-Westfälische, Bayerische, Südwest-Deutsche Ordensprovinz). Großprior der Deutschen Statthalterei ist seit 7. Oktober 2006 der damalige Bischof von Trier und jetzige Erzbischof von München und Freising Reinhard Marx. Seit dem 5. Mai 2007 ist Heinrich Dickmann Statthalter des Ritterordens; er war vorher der Präsident der Norddeutschen Ordensprovinz. Diese Ordensprovinzen sind in insgesamt 36 örtliche Komtureien gegliedert (genaue Aufzählung siehe unten). Den Provinzen steht jeweils ein Präsident, den Komtureien jeweils ein „Leitender Komtur“ vor.
Die Österreichische Statthalterei umfasst elf Komtureien mit ca. 400 Mitgliedern. Großprior des Ritterordens in Österreich ist seit 2008 der Erzbischof von Salzburg und Primas Germaniae, Alois KothgasserSDB; Statthalter ist Karl Lengheimer.
Die Schweizerische Statthalterei umfasst sieben Komtureien in der deutschschweizerischen Sektion, drei Komtureien in der Romandie und einer Komturei in der italienischsprachigen Schweiz. Großprior ist der Bischof von Lugano, Pier Giacomo Grampa; Statthalter ist Giorgio Moroni Stampa.
Aufgaben
Der Orden hat seine Hauptaufgabe in der Unterstützung der Christen im Heiligen Land sowohl in Hinsicht auf Förderung des katholischen Glaubens im Heiligen Land als auch in finanzieller Hinsicht. So unterhält der Orden im Heiligen Land durch materielle Hilfe eine Vielzahl von Kirchen, Schulen und sozialen Einrichtungen. Weiterhin sollen die Treue zu Kirche und Papst, Spiritualität, eine christliche Lebensführung und vor allem Nächstenliebe gefördert werden.
Privilegien
Kennzeichnend für diesen Päpstlichen Orden als Geistlichen Ritterorden ist, dass die Heilige Apostolische Poenitentiarie zuletzt mit Schreiben vom 23. September 1967 gewährt hat, dass die Mitglieder des Orden einen vollkommenen Ablass gewinnen können, wenn sie die üblichen Bedingungen erfüllen. Dies kann erfolgen am Tag ihrer Aufnahme oder an den Feststagen Allerseelen (2. November), Kreuzerhöhung (14. September), Hl. Pius X. (21. August) und Hl. Helena (18. August).
Großmeister des Ordens
- 1847–1872: Giuseppe Valerga, Lateinischer Patriarch von Jerusalem
- 1872–1889: Vincenzo Bracco, Lateinischer Patriarch von Jerusalem
- 1889–1907: Luigi Piavi, Lateinischer Patriarch von Jerusalem
- 1907–1914: Papst Pius X.
- 1914–1922: Papst Benedikt XV.
- 1922–1928: Papst Pius XI.
- 1928–1947: Aloysius Barlassina, Lateinischer Patriarch von Jerusalem (allerdings nicht Großmeister, sondern „Rektor und ständiger Administrator des Ordens“)
Kardinal-Großmeister des Ordens
Pius XII. setzte Nicola Kardinal Canali im Jahre 1940 zum Protektor des Ordens ein. Das Amt des Kardinal-Großmeisters ist dann mit dem Statut von 1949 geschaffen worden, das durch das päpstliche Breve „Quam Romani Pontifices“ vom 14. September 1949 approbiert wurde. Bisherige Kardinal-Großmeister waren:
- 1949–1960: Nicola Kardinal Canali
- 1960–1972: Eugène Kardinal Tisserant
- 1972–1988: Maximilien Kardinal de Fuerstenberg
- 1988–1995: Giuseppe Kardinal Caprio
- 1995–2007: Carlo Kardinal Furno
- seit 2007: John Patrick Kardinal Foley
Statthalter der Deutschen Statthalterei
Die deutsche Statthalterei konstituierte sich am 7./8. Dezember 1933 in Köln, nachdem schon im Sommer 1932 ein Statthalter berufen wurde. Statthalter waren bisher:
- 1932–1958: Franz zu Salm-Reifferscheidt-Dyck (1899–1958), Unternehmer
- 1958–1965: Friedrich August von der Heydte (1907–1994), Offizier, Staatsrechtslehrer und Politiker
- 1965–1967: Lorenz Höcker, Arbeits- und Sozialrechtler
- 1968–1971: Alois Hundhammer (1900–1974), Staatsminister und Landtagspräsident
- 1971–1985: Hermann Josef Abs (1901–1994), Vorstandssprecher der Deutschen Bank AG
- 1985–1991: Johannes Binkowski (1908–1996), Journalist, Publizist und Zeitungsverleger
- 1991–1999: Peter Heidinger (*1927), Ingenieur und Energiemanager
- 1999–2007: Paul Theodor Oldenkott (*1934), Neurochirurg, seit 2009 Ehrenstatthalter
- seit 2007: Heinrich Dickmann (*1941), Versicherungsmanager